Erlebnisse, die meine Einstellung und mein Leben beeinflusst
haben,
nicht chronologisch sortiert, sondern eher absteigend nach Bedeutung.
Tschernobyl 1986
Zum 4. Geburtstag bekam ich eine Märklin Startpackung mit kleiner Dampflok
und zwei Güterwaggons.
Zum 7. Geburtstag baute mir mein Vater einen kurzschlussfesten Trafo mit sieben
Lämpchen an Kabeln, womit ich z.B. Häuser bei der Eisenbahn beleuchten
konnte. Wenn ein Kabel vom Lämpchen abgebrochen war, musste ich warten,
bis mein Vater Zeit hatte, es wieder anzulöten - und wollte endlich selber
löten lernen.
Mein Vater hatte als Elektroingenieur interessante Bauteile im Keller, wovon
ich mir dann immer wieder etwas wünschte. So fand ich dann unter dem Christbaum
auf oder neben dem Plätzchenteller Schalter, Potentiometer, Gleichrichter,
Kondensatoren, Fotowiderstände, Relais, Motoren ... mit denen ich allerhand
für die Eisenbahn baute.
Mit 11 wollte ich endlich wissen, wofür die dreibeinigen Bauteile sind,
die Transistoren ...
... und mit 13 baute ich schon meine erste Funkuhr mit vielen ICs.
Am 26.4.1986 starb mein Vater nach 4 Monaten Leidensweg mit Leberkrebs.
Ein paar Tage danach erfuhren wir, dass genau am selben Tag in Tschernobyl der
Reaktor außer Kontrolle geraten war ... Meine kleinen Geschwister hatten
am Beerdigungstag im Fallout-Regen gespielt. Ein Minister aß demonstrativ
von mutmaßlich verstrahltem Molkepulver. Unsere Mutter weinte: "Es
ist alles so furchtbar" (klar, wenn nicht nur ein Unglück allein kommt).
Ich hatte mit einem geliehenen Geigerzähler unter unserer Traufe (wo das
Regenwasser vom Dach herunter plätschert) den 150-Fachen Wert gegenüber
der natürlichen Radioaktivität gemessen.
Für mich war es das Letzte, das ich von meinem Vater gelernt habe - nach
all der Technikbegeisterung, nun die Erkenntnis, dass die Rechnung nicht aufgeht
- dass all die schönen Dinge, welche Elektroingenieure den Leuten bauen
und die diese gern haben wollen, mit solchen Gefahren am anderen Ende der Leitung
einher gehen. Es hat noch Jahre gedauert, bis mir das alles richtig klar wurde.
Erst habe ich noch, wie geplant, Elektrotechnik studiert ... aber schließlich
mein Leben geändert - statt Karriere immer mehr in Richtung sparsame Lebensweise
mit viel Selbstversorgung.
Von der Technikbegeisterung hab ich mir mühssam einen kleinen Rest bewahrt.
Irakkrieg 2003
Den fand ich eine große Ungerechtigkeit. Der Weltpolizist wurde
zum Bankräuber und zeigte sein wahres Gesicht. Es machte mich schon
im Vorfeld zum Demonstranten (was ich mir zuvor nicht vorstellen konnte). Obwohl
ich gerade mit Fieber im Bett lag, reiste ich zur großen Friedensdemo
am 15. Februar 2003 in Berlin. Bei Onkel und Tante legte ich mich wieder ins
Bett, wurde mit "Zwiebel mit Honig" versorgt und stand nur für
die Demo wieder auf, zu der auch mein Onkel mit kam.
Man hatte mir abgeraten - es käme ja wieder eine Demo. Nein, ich bin froh,
dass ich das gemacht habe. Ich habe 1,2 Millionen Menschen in Berlin in Erinnerung
und viele Demos weltweit am gleichen Tag. Das kam nicht wieder.
Ich war noch auf vielen kleineren Demos in München, Grafenwöhr, Kehl/Straßburg,
Rhein-Main-Airbase bei Frankfurt, wo wir von der Sitzblockade vor einem der
Tore aus zuschauen "durften", wie Militär-Transportflugzeuge
Richtung Irak starteten (ohnmächtiges "strampeln" erlaubt, dachte
ich mir) und schließlich von der Polizei weg getragen wurden.
Bei den Montagsdemos in München wurde ich darauf aufmerksam, dass das Thema
Peak Oil der Hintergrund sein könnte, und dass man ruhig auch per Verzicht
sparen sollte, um dem Krieg den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ich habe zu der
Zeit hunderte Beiträge im Tagesschau-Forum zum Irakkrieg geschrieben. Der
mit Abstand längste ist Unabhängigkeit
vom Öl - Energieboykott. Später habe ich viel im deutschen Peak-Oil-Forum
geschrieben (leider seit September 2019 nicht mehr online).
Empfehlen kann ich zum Thema ein spätes Interview
mit Colin Campbell und den Film A
Farm for the Future, die ich beide übersetzt habe. Eine der Konsequenzen,
die ich gezogen habe, ist der Vorsatz, voraussichtlich nicht mehr zu fliegen.
Persönlich betrifft mich, dass der Krieg ausgerechnet an meinem Namenstag
beginnen musste, am 20. März 2003 (aber das ist ein subjektives Argument,
wie auch oben bei Tschernobyl, und ich frage mich, ob ich es erwähnen soll,
weil es ja andere nicht betrifft).
Praktikum in Galvanik und Lackiererei (ca. 1988)
Für mein Elektrotechnik-Studium brauchte ich das 13-wöchige Praktikum
I, an dessen Ende ich zwei Tage in einer Lackiererei und drei Tage in einer
Galvanik war.
In der Lackiererei gab es große "Wandnischen", an deren Rückseite
eine Wand aus Wasser herunter rieselte. Davor wurden Gegenstände, z.B.
große Metallteile, mit Farbe besprüht. Die Luft mit dem Sprühnebel
wurde durch den "Wasserfall" nach hinten abgesaugt und dadurch gewaschen.
Nach draußen durfte die Luft nicht, um nicht die umliegende Stadt zu belästigen.
Sie kam statt dessen "gereinigt" wieder in den Raum. Lösungsmittel
waren sicher noch enthalten und entsprechend war die Luftqualität in dem
großen Raum.
Die Galvanik war aber schlimmer. Hier wurden Metallteile (auch kleine, wie Schrauben
...) verzinkt, verkupfert, vernickelt, verchromt. Das geschah durch Stromfluss
in Bädern mit Chemikalien. Man kann wohl sagen, je besser das Ergebnis,
desto giftiger die nötigen Chemikalien. Ein Beispiel wäre Kaliumcyanid
(was ein anderes Wort für Zyankali ist). Die Menschen, die in der Galvanik
arbeiteten, schienen alle "beschädigt" zu sein. Ich weiß
nicht, ob sie das bei der Einstellung schon waren, habe aber den Verdacht, dass
es von den "in der Luft liegenden" Chemikalien kam.
Welche Konsequenz zieht man daraus. Manche mögen denken, sich nur anstrengen,
dass man eine gute Ausbildung bekommt und einen besseren Beruf.
Ich habe mir gedacht, man muss ja ein schlechtes Gewissen haben, wenn man eine
Schraube kauft. Ich habe es eigentlich immer schön gefunden, wenn man neue
Schrauben verwenden kann (und sei es nur bei der Montage eines neuen Auspuffs
an unserem damaligen VW Käfer). Seither bin ich aber zu "doppelter
Buchführung" bei Schrauben, Nägeln usw. übergegangen. Ich
bewahre neben den schönen auch die rostigen auf und verwende die rostigen,
wo es nicht so genau drauf ankommt.
Sandkasten ca. 1970
Als kleines Kind war ich viel bei meiner Großmutter. Wenn ich dort im
Sandkasten spielte, verwendete ich gern kleine Rohrstücke im Sand, um so
etwas wie ein Waschbecken oder einen See mit Abfluss zu bauen.
Erwachsene mögen vielleicht gedacht haben: "Aus dem wird mal ein tüchtiger
Ingenieur."
Für mich stammt aus der Zeit aber die banale Erkenntnis, dass das, was
am einen Ende in ein Rohr hinein läuft, am anderen Ende wieder heraus kommt.
Dadurch bin ich nicht so anfällig für die "Aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Denkweise",
etwa im Zusammenhang mit der Kanalisation.
Letzte Änderung:
17. Januar 2024
Wolfram Zucker
Zurück zur Startseite zurück zur Themen-Übersicht