Was Kindern am Computer passiert
(07.11.2000, Detelf Borchers) In Mölln ist dieser Tage der erste Internet-Kindergarten Deutschlands eröffnet worden. Zehn moderne Computer stehen in einem eigenen Raum, auf dass die Vorschüler den "sinnvollen Umgang mit Computern und dem weltweiten Datennetz erlernen", wie es zur Eröffnung hieß. Amerika ist mal wieder ein Stück weiter – in unerwarteter Richtung. Dort ist unter dem Titel "A Fools Gold: a Critical Look at Computers in Childhood" eine Studie über Kinder am Computer erschienen. Schon der Titel ist programmatisch: Fools Gold erinnert an den amerikanischen Goldrausch, als gierige Sucher den glitzernden Eisenkies für echtes Gold hielten. Auf 100 Seiten kommen Coleen Cordes und Edward Miller zum Schluss, dass der Einsatz von Rechnern in Kindergärten, Vor- und Grundschulen das genaue Gegenteil davon produziert, was sich die Eltern erhoffen. Der Nachwuchs würde nicht nur auf Computern trainiert, die längst obsolet sind, wenn er die Schule verlässt. Kinder bis zum Alter von zehn Jahren, die lange vor dem Computer ausharren und die nicht eben kindgerechten Tasten drücken, würden später zudem überdurchschnittlich häufig vom so genannten RSI-Syndrom geplagt. Diese Repetitive Strain Injury äußert sich in Sehnenscheidenentzündungen und Muskelverkümmerung und kann dann die Arbeit am Computer unmöglich machen. Und in einer anderen Untersuchung berichtet die Französin Joelle Richardière über die Hormonprobleme von Kindern, die ihre Freizeit nur vor der Spielkonsole verbringen. In den USA produzierte die Fools-Gold-Studie bereits Reaktionen: 750 bekannte Forscher, darunter Fritjof Capra und Jane Goodall, fordern ein Moratorium für den Einsatz von Computern in früher Kindheit und in der Grundschule. Zwar werden Studie wie Aufruf von der Alliance of Childhood getragen, die dem Umfeld der Waldorf-Pädagogik entstammt. An einem Kongress der Alliance vor wenigen Wochen in Brüssel nahm aber zum Beispiel auch der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband teil. In Europa, wurde in Brüssel bekannt, können Pädagogen und Psychologen die Eltern vergleichsweise schwer vom Unsinn des frühkindlichen Computerns überzeugen. Die Angst, den Kindern den Start in die Zukunft zu vermasseln, sei hier zu Lande besonders groß. Ein typisches Beispiel für diese Argumentation liefert der Autor Matthias Petzold im Buch "Die Multimedia-Familie": "Computer und Internet gehören zu unserer Welt. Sich darin frühzeitig einzuüben ist eine Aufgabe, die heute zu den elterlichen Grundpflichten gehört." Dagegen raten die Organisatoren der Alliance for Childhood Eltern zur Gelassenheit. "Es gibt nichts am Computer und Internet, was ein aufgewecktes Kind nicht in zwei Wochen lernen könnte", erklärte der englische Pädagogik-Forscher Martin Large in Brüssel. "Wer mit 10 Jahren das erste www tippt, hat nichts verpasst." |
Siehe auch: LehrerInnenforum in Österreich: Computer in Kindergarten und Schule ?